Die Story stammt aus dem Metal Hammer Jahrgang 1990

 

 

 

Es ist ein bullig heißer Juli-Nachmittag. Unerbittlich knallt die Sonne auf die Handvoll Leute, die noch nicht in den Schatten geflüchtet sind. Der Ort, Hilton Hotel, Aussichtsterrasse. Im Land der weiß-blauen Karos bedeutet Schatten natürlich in erster Linie Bierzelt; von solcher Erholung, ebenso wie von faulenzendem Super-Star-Status oder langweilender  Arroganz sind Axxis weit entfernt. Gnadenlos sind sie schon den ganzen Nachmittag damit beschäftigt, Interviews zu geben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

      AXXIS ALL AREAS

 

 

Seit Veröffentlichung des LP-Debüts sind die Verteidiger melodischen Hard Rocks praktisch ununterbrochen auf Achse. Nach den zwei Club-Tourneen schloß sich "vier Shows mit Motörhead an" , wie Sänger Bernhard Weiss berichtet. "Risk, Sodom, Axxis, Motörhead - von Hamburg bis Villingen- Schwenningen. Doch damit nicht genug - am ersten September starten Axxis in Liverpool, England, ihre erste Europa-Tournee. Im Vorprogramm von Black Sabbath werden sie runde zwei Monate lang größere Bühnen dieses Kontinents besteigen. Die Sterne stehen unbestreitbar gut für Axxis - das Album KINGDOM OF THE NIGHT fand sich einige Wochen in den Top 50 der Verkaufs-Charts, in England sogar auf Platz 10 der Import-Charts. Das überraschendste bei den verbuchten Erfolgen bleibt, daß die Vier aus dem Kohlenpott weiterhin lachende und witzelnde Kumpels geblieben sind.

Das sehen allerdings nicht alle Bekannten der Band so. "Jetzt wenn du so durch die Medien gehst und für die einen gewissen Status erlangst, meinen vor allem viele der früheren Musikerkollegen, du wärst jetzt der Weg- geflogene; nur weil du immer deine Meinung sagst, wie früher auch. Nur jetzt sagen sich die Leute, 'der Arsch, jetzt wo er einen Deal hat, haut er ganz kräftig auf die Kacke'. Oder auch ganz anderes gesehen. Die Leute geben dir einen anderen Status". Auch Gitarrist Walter Pietsch hat sich darüber, ohne jegliche Euphorie, schon Gedanken gemacht. "Das ist leider schlimm. Du kannst wenig daran ändern. Das fängt damit an, daß du drei Wochen weg bist, irgendwann nach Hause kommst und deine Freunde sagen, 'Ach kommst du auch mal wieder'. Und du hast doch nur deinen Job gemacht. Ich meine, wenn du Matrose bist, bist du ein halbes Jahr weg, da ist das dann normal. Da ist das okay. Wenn du Musiker bist, bist du - in deren Augen - doof, wenn do so oft weg bist". Auch Journalisten kann es so ergehen.

Das Aufnahmegerät    

arbeitet sich schwitzend durch die Kassette; klarer Fall, jemand, der bei solch kochenden Temperaturen freiwillig arbeitet, kann nicht normal sein.

"Du siedelst ein bisschen über, auf einen anderen Planeten. Stell dir vor, du packst deine Sachen und ziehst nach Australien. Mit allen Vor- und Nachteilen. Da hast du natürlich dann erst mal keine Freunde; nur die, die du mitnimmst oder die du dort kennst. Du hast eine völlig andere Umgebung, ein völlig anderes Leben. So ähnlich ist das jetzt auch für uns. So, als wenn du jetzt erst mal ganz weg bist und woanders etwas völlig neues aufbaust. Völliger Neuanfang, ganz anderes Feeling.

Es ist tierisch. Es macht Riesen - Fun. Es gibt einen Haufen Arbeit, aber es gibt keine miese Arbeit".

Und hier ist er endlich, der Anlass, auf den wir mit Eiswürfeln gefüllten Gläsern anstoßen können. Die Lufttemperatur bleibt nichtsdestotrotz in bedenkliche Nähe der Köpertemperatur.

"Ich sage dir, ich war malochen und Werner war malochen; richtig volle Kanne, mit allem drum und dran. Wir wissen, wie das ist. Im Prinzip ist das nichts anderes, als das,

was wir jetzt machen. Mit dem Unterschied, daß es uns Spaß macht". fährt Bernhard gnadenlos fort. Zur einen Seite der Terrasse schlängelt sich plätschernd der Eisbach vorbei; wie er es schon seit Jahrtausenden gewohnt zu sein scheint. Im Festsaal des Hotels montieren Handwerker eine kleine Bühne, Stuhlreihen, ein Buffet und die P.A. beim Soundcheck dröhnt es urplötzlich wie ein lauter Fön aus jenen Gemäuern; klein weißes Rauschen, nein Brahms Violinenkonzert, ein Streichquintett, Opus 4, Paragraph Sound soviel. Eingekeilt von Natur und Kultur, irgendwo zwischen unschuldiger Schönheit und geschäftlicher Tüchtigkeit.

Bassist Werner Kleinhans redet nicht viel; wenn er etwas sagt, bringt er es - wie beim Zupfen der vier flotten Saiten - exakt auf den Punkt: "Wenn du schlecht gearbeitet hast, haben sie gemeckert, wenn du gut gearbeitet hast, hat keiner geklatscht". Auch Drummer Richard Michalski sieht die Arbeit bei AXXIS relativ abgeklärt: "Das ist, als würdest du jetzt deine

eigene Firma aufbauen".

Aber was für eine Firma! Bernhard erinnert sich an die Autogrammstunde in Bocklemünd, "so eine richtige 2000 Leute Autogrammstunde. Das war richtig mit Absperrung, Security und so weiter". Und der Denker Walter Pietsch meint, "das sind so die gefährlichen Sachen im Rock'n Roll. Wo eine Band sehen  muß, daß sie irgendwo 'down to earth' bleibt. Gerade diese Sachen, wenn du irgendwo hin kommst und da hängt über dem Eingang ein Riesenbanner 'Welcome AXXIS!' oder so; daß du dann cool bleibst und die sagst, morgen nehmen sie das schon wieder ab. So ist es ja".  

Apropos morgen; nach der Europa-Tour werden Axxis einige Club Dates in England spielen und dann geht es in die zweite Runde, an der Aufnahme zur zweiten PLP.

"JA, da haben schon einige Leute spekuliert, so in der Art der Anfang war ja ganz gut, aber...", beginnt Bernhard. "Wir lassen uns einfach nicht unter Druck setzen. Wir sagen uns, wir machen das wie bei der ersten Scheibe. Wir gehen nicht nach Los Angeles - wahrscheinlich könnten wir jetzt nach Los Angeles fliegen und irgendwo auf Hawaii was machen - das machen wir nicht. Wir wollen wieder im EMI-Studio produzieren, auch wieder mit dem Rolf Hanekamp zusammen. Wir wollen aus alle Fälle wieder kleine Brötchen backen, weiterhin Schwerpunkt legen auf die Songs. Denn das ist ein Rezept, das hat sich bewährt, warum sollen wir davon abweichen".  

"Die Arbeit ist ja schon in Angriff genommen worden", fährt Richard Michalski fort. " Da sind jetzt schon wieder zwei Titel, die wir live angetestet haben. 'Some Stars Are Falling' und 'Get Down' waren das, beide kamen gut rüber auf der letzten Tour".

Das Rezept, nach dem Axxis beim Komponieren verfahren, sieht in etwa folgendermaßen aus: auf der Basis von Akustikgitarre und Gesang erarbeiten Bernhard Weiss und Walter Pietsch die Grundstruktur eines Titels. Mit diesen spartanischsten Mittel werden die Melodien aufeinander abgestimmt, die Harmonien stimmig zusammengefügt und die Abfolge von Strophe, Refrain und Bridge herausgearbeitet. Bei KINGDOM OF THE NIGHT wurde der Großteil des Albums - mit der Ausnahme von 'Tears Of The Trees' und dem Titelsong - auf diese Art und Weise, allerdings in knapp zwei Monaten geschrieben. "Wir werden das auch diesmal wieder locker angehen", meint Walter. "Locker heißt nicht, daß wir jetzt den Schlaffen ansagen; du mußt dich schon hinsetzen mit dem festen Willen, ich will jetzt ein Stück schreiben. Du mußt da schon voll dran ziehen. Locker in dem Sinn, daß du sagst, ich bin jetzt ideenmäßig offen, nicht versteift darauf, das wird jetzt eine Ballade oder ein Headbanging Nummer, eine speedige Nummer oder so. Sehen, daß du ganz locker - auch kopfmäßig - an die Sache herangehst und guckst, welche Ideen kommen, was ist zündend, hat es auch Power und so".

Neben der bedächtig locker konstruierten Musik sind es auch die texte die Axxis eigenen Stil ausmachen. Keine Klischees, die auf einem Trödelmarkt in Hollywood zusammengeschnorrt werden, vielmehr Inhalte, wie sie in der Rock-Musik doch sehr rar zu finden sind. Walter erklärt das mit dem Selbstverständnis der band. "Wir haben uns immer als band gesehen, die versucht, ein bißchen ansprechende Texte zu schreiben. Nicht die üblichen Drugs & Rock...." er gerät in Stocken; "äh Rock......Rock?"

"Sex & Drugs & Rock'n Roll Geschichten, eben! Wir haben versucht, Sachen, die wir wirklich meinen, in die Texte reinzubringen. Ohne Zeigefinger-Pathos den Leuten solche Dinge darzulegen. Und siehe da, es haben uns tierische Leute auf diese Texte angesprochen und gemeint, 'das finden wir toll, daß ihr so etwas geschrieben habt. Denn wir sehen das eigentlich auch so, empfinden das auch so, sind aber jetzt nicht die Riesen - Polit - Freaks, die direkt auf die Barrikaden gehen'. Da hat sich dann auch eine Brücke zu solchen Leuten aufgebaut. Weil das so viele waren, hat uns das auch irgendwo gewundert,

 

weil  wir gedacht haben, 'Mensch, die Texte, ob die überhaupt ein Mensch zur Kenntnis nimmt', aber die Leute haben sie zur Kenntnis genommen". Inzwischen ist der bedeutungsschwangere Johannes Brahms mit seiner pompösen 'ernsten Musik' in den P.A. Boxen verdurstet. Der Anspruch, Text mit echten Botschaften zu schreiben, oder auch zu hören, ist sehr deutsch. Englisch - sprachige Kollegen kümmern sich da - egal, wie man das nun persönlich beurteilt - in aller Regel noch weniger drum als Peter Alexander. "Ich sage mal eins: im Augenblick sollte man diesen Anspruch überall haben. Das meine ich ganz im Ernst. Ich will keinem etwas vorwerfen, wenn er über Liebe und Sex oder Drugs & Rock'n Roll schreibt. Das tun wir auch mal. Weil es auch dazu gehört und weil wir das auch sehen und haben wollen. Aber ich meine, man kann nicht einfach sagen: 'ich spiele jetzt Gitarre und das andere ist mir alles scheißegal' ".  "Und es bringt etwas", fährt Walter weiterhin darin fort, diese Einstellung von Axxis energisch zu betonen und

hervorzuheben. "Es sind Fans zu uns gekommen - ich sage jetzt mal 'typisch Kuttenträger'; ich meine, echte Rock'n Roll Fans wie wir; das sind auch keine Polit-Freaks oder irgendwas - die gesagt haben, 'Hey ich finde das geil, was ihr da geschrieben habt. Ich finde das geil, weil ich habe da auch schon mal irgendwie darüber nachgedacht'. Ich meine, in den Texten ist ja was anderes drin, als man es sonst viel gewohnt ist. Das hat gar nicht unbedingt mit Politik zu tun. Das ist Leben heutzutage". Werner ergänzt daß "wir nicht vorhaben, mit den texten etwas zu ändern". Von Bernhard Weiss werden die Texte geschrieben: "Die Texte kommen erstmal von mir. Ich muß sie schließlich singen. Die anderen tun dann alle ihren Senf dazu, zerfetzen das Ganze und ich fange wieder von vorne an. Die Basis bringe ich". "Was wir immer tun, ist uns gegenseitig zu braten", erklärt Walter. "Zusammen alles schreiben, das funktioniert nicht, nur eben Details abändern. Das geschieht auch mit Songs. Manchmal hat auch einer eine witzige Songidee, ein anderer gibt dann nur ein bißchen was dazu. Du kannst das nie so 50/50, oder besser 25/25/25/25 verteilen. Das ist ein Unding, so klappt das nicht. Das andere klappt umso besser, wenn du sagst 'Mach doch das lieber so....' Der Werner kommt manchmal mit unglaublichen guten Sachen an, musikalisch. Wenn wir da sitzen und uns in irgendetwas schon völlig verrannt haben, kommt der dann mit Sachen an, da fällt dir einfach nichts mehr ein. Weil, das ist einfach toll, genial; weil es den Kick gibt, den die Nummer braucht. Das ist dann keine Verteilung 25/25/25/25;

sondern....weiß der Teufel. Aber wahnsinnig wichtig. Das kannst du weder planen, noch vorraus- sehen, obwohl das so wichtig ist". Bei der Aufteilung 25/25/25/25 fällt auf, daß Axxis zu diesem Interview wieder in Viererbesetzung angetreten sind; live warteten sie als Quintett auf. Mit Harry Oellers an den Keyboards, gewissermaßen als fünftes Rad an der Achse. Er ist jedoch noch kein fest engagiertes Bandmitglied. "Der Harry kommt live ganz gut", findet auch Bernhard Weiss. "Auch menschlich paßt er ganz gut zu uns. Er ist genau so eine Pfeife wie wir, wir können gut mit ihn tratschen; er hat immer doofe Sprüche drauf - wie der Walter - und da paßt er auch besser zu Walter".

Die Atmosphäre beginnt, sich trinkseliger Bierzelt-Stimmung zu nähern. "Wir wollen die zweite LP abwarten, ihn darauf spielen lassen und dann gucken, was Sache ist. Außer dem Demo haben wir Studio- mäßig mit ihm noch nichts gemacht. Noch keine komplette Produktion. Der Harry war ja am Anfang auch Gitarrist. Das war einer der Vorteile, weshalb wir ihn dann genommen haben; weil er von der Gitarre herkommt. Und er ist eigentlich immer noch Gitarrist, und am Keyboard muß er sich noch weiter entwickeln. Das dauert seine Zeit, bis er das drauf hat. Und bei der nächsten Produktion hat er das dann drauf und da kriegt er seine Chance".

 

Matthias Penzel