Die Story stammt aus dem Metal Hammer Jahrgang 1992

 

 

Geister, Gnome, Spiritisten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Man ist ja Schwein und gönnt sich sonst nichts: Axxis Sänger BERNHARD WEISS und Gitarrero WALTER PIETSCH werden von ANDREAS SCHÖWE mit einem ganz bestimmten, im Metal Hammer / Crash 23/90 veröffentlichten Zitat konfrontiert...

 

 

Und dieser berühmte Spruch, an dem sich nun beide in gemütlicher Runde bei Kaffe und Entzugserscheinungen im Foyer des New Yorker Hotels Paramount messen lassen müssen, lautete schlicht und einfach: "...wahrscheinlich könnten wir jetzt nach Los Angeles fliegen und irgendwo auf Hawaii was machen - das machen wir nicht. Wir wollen wieder im EMI-Studio produzieren..."

Walter ist konsterniert: " Oh nein! Kramt er das Ding da raus!" Bernhard hingegen triumphiert: " Stimmt ja  auch! Wir haben nicht in L.A oder auf Hawaii aufgenommen, sondern in Philadelphia, hahaha! Und dann mußt du aber auch zuende lesen: ?...kleine Brötchen backen, weiterhin Schwerpunkt legen auf die Songs!' Daran hat sich nichts geändert: Wir sind in Deutschland groß geworden, wir sind eine deutsche Band und wir bleiben es auch! Und es ist eine Schande, daß eine deutsche Band immer erst nach Amerika gehen muß, um sich selbst zu verwirklichen!"

Aha. Und sich selbst verwirklichen kann man tatsächlich nur in den Staaten? Jetzt geraten beide ins Schwärmen: "Nach dem, was wir in den vergangenen Wochen erlebt haben: Ja! Das ist hier ein völlig anderes Arbeiten! Es ging schon damit los, daß wir im Studio ankamen, das Schlagzeug aufbauten und jemand vom Studio-Personal in eine Ecke des Aufnahmeraums zeigte und meinte: " Da oben irgendwo ist noch etwas vom Geist des Queensryche - Schlag- zeugers zu Hause und wacht über uns" - "Na das kann ja heiter werden!" haben wir gedacht, 

"Die Gnome haben hier wohl alle einen an der Waffel!"... Doch so nach und nach konnten wir dann nachvollziehen, was die damit meinen: "Spirit! 

Das ist für die der Geist des Rock'n Rolls! Mit Queensryche haben sie hier einen erstklassigen Job gemacht und den will man versuchen, erneut zu erreichen, eine diesem "Geist" würdige neue Produktion abliefern..."

Schön und gut. Wer will das nicht? Zudem unterscheiden sich die meisten modernen Studios hüben wie drüben höchstens im Namen der genutzten Gerätschaften. Und alle Produzenten kochen nur mit Wasser... Walter Pietsch "Die Leute, die hier arbeiten, wissen das auch und handeln dementsprechend. In Deutschland hingegen, so haben wir jedenfalls die Erfahrung gemacht, herrscht größtenteils die Meinung vor. " Mein Gott; nur mit Wasser kochen? Das ist doch viel zu einfach! Geht das nicht irgendwie komplizierter? Die Amis sagen da eben völlig relaxt: "Stell dich da hin, spiel du so, wie gerade dein Herz schlägt, bringe das auf Band, was du gerade fühlst!" Und genau das ist doch das einfachste auf der Welt! Nur: In Deutschland wird dir das niemand sagen, niemand wird dich dahingehend motivieren! Wenn du in Deutschland die Gitarren einspielst und mal nach einem Take zum Mischpult rüber schaust, gucken die dich mit der Mimik eines Eisbären an. Hier ist das ganze anders: Du wirst nicht nur als Musiker, sondern auch als Mensch akzeptiert! Als Mensch bist du stets in einer gewissen Stimmung, und dementsprechend spielst auch. Und genau diese Stimmung fangen sie dann ein! Sie nehmen praktisch ein musikalisches Abbild deiner seelischen Verfassung, deines "Spirit" von dir auf! Da macht das dann auch nichts, wenn da mal ein falscher Ton mit dabei ist, dieser aber zu dieser Stimmung paßt! Im 

Gegenteil: Die stehen auf, klatschen Beifall, jubilieren. Hast du das in deutschen Studios jemals erlebt? Standing Ovations hinter dem Mischpult? Und nicht nur aus Höflichkeit, nein, das ganze kommt dort aus tiefstem Herzen!"

Bernhard Weiss hat diesbezüglich ebenfalls eine Anekdote auf Lager: " Harry, unser Keyboard, hatte gerade ein paar Takte auf der Hammondorgel eingespielt, und ein Mädel namens Sheila, die Assistentin des 

Studio-Ingenieurs - weiß du, was die gemacht hat? Die ist aufgestanden und hat getanzt, ihren Gefühlen, ihrer Seele, ihrem Spirit richtig freien lauf gelassen!"

Szenenwechsel. Wir sitzen jetzt im berühmten Power Station Studio zu N.Y .- j enem Studio, das einem gewissen Tony Bongiovi gehört und dessen Referenzen-Liste derzeit sieben DIN A4 Seiten umfaßt. Wahrscheinlich wäre es einfacher, eine Liste all derjenigen zu erstellen, die noch nicht hier gearbeitet haben... Zum Reinhören in das zwölf  Songs plus ein Intro lange neue Album hat uns Axxis-Mentor und Produzent Joey Balin hierher eingeladen. Und der Mann hat wirklich ganze Arbeit geleistet: Axxis sind Axxis geblieben - nur ungeahnte stimmungsvoller und in jeder Beziehung qualitativ besser als bisher. Und es wird nur einmal für einige Sekunden gespenstisch still im Regieraum - nämlich als sich Joey Balin umdreht und mit funkelten Augen bedeutungsschwanger und ehrfurchtsvoll haucht: " Hier hat sogar schon Keith Richards aufgenommen!" Ob der damit ausdrücken wollte, daß der neue Longplayer dem bestimmt hier irgendwo in einer Ecke hausenden Geist des Stones-Gitarristen zu Ehre gereicht?